Warum wir ein selbsthilfefreundliches Gesundheitswesen brauchen

Die Diagnose einer chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankung oder einer bleibenden Behinderung ist ein harter Schlag. Zwar bringt die Diagnose häufig endlich Klarheit über Symptome und Leidenswege, aber es stellen sich viele neue Fragen, die verunsichern oder hilflos machen können.

Nicht selten betrifft die Diagnose den gesamten Alltag:

  • Ernährungs- und Lebensgewohnheiten müssen umgestellt werden,
  • eine medikamentöse Therapie mit Nebenwirkungen ist durchzuhalten,
  • eine häusliche Pflege wird notwendig,
  • das Zuhause ist behindertengerecht anzupassen,
  • der Beruf kann nicht mehr ausgeübt werden…

Und auch die nächsten Angehörigen kämpfen mit ihren Sorgen und Ängsten: Wie wird es weitergehen? Was kommt auf uns zu? Was können wir tun?

 

Selbsthilfeaktive stehen Ihnen bei 

Auch wenn es Ihnen derzeit anders vorkommt: Sie sind nicht allein! Es gibt viele Menschen, denen es genauso geht. Die einen Weg gefunden haben, mit der gleichen Erkrankung oder Behinderung zu leben. Die trotz oder mit Krankheit und Beeinträchtigungen ihre Träume und Wünsche realisieren – selbst wenn das oft viel Anstrengung und Durchhaltevermögen erfordert. Menschen, die im Laufe der Jahre die Tücken der medizinischen Versorgung, der Krankenkassenfinanzierung und der Heilmittelverordnungen kennengelernt haben.
Angehörige, die die Mühen, die Erschöpfung und die Sorgen um das zu pflegende Kind oder den kranken Partner kennen und Lösungen gefunden haben. Die das Leid teilen, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist und doch den Weg in ein erfülltes Leben gefunden haben.

Diese Menschen finden sich in Selbsthilfegruppen: hier stehen sie Gleichbetroffenen bei, geben Mut und Hoffnung durch ihr Beispiel und helfen den Weg zurück in einen gelingenden Alltag zu finden. Nicht umsonst versteht sich die gemeinschaftliche Selbsthilfe als ein soziales Netz, das auch in schwierigen Lebenslagen trägt.

Und Selbsthilfe wirkt noch mehr:

Selbsthilfe stärkt die Gesundheitskompetenz

Nach einer Diagnose geht es daran, die richtige Behandlung zu finden. Neben fachlichen Standards wie einer leitliniengerechten Behandlung sind dabei die individuellen Prioritäten der Patienten zu berücksichtigen.

Manchmal stehen letzte Lebenspläne, Glaubensgründe oder ethische Werte einer Behandlungen entgegen. Idealerweise wird die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung oder auch eine bestimmte Therapie gemeinsam mit den behandelnden Ärzten ausführlich und mit ausreichend Entscheidungszeit erörtert. Dazu gehört, dass die Alternativen und Konsequenzen deutlich werden.

Selbsthilfegruppen sind hier eine große Hilfe. Hier können Sie auf verschiedene Erfahrungen vieler Menschen zurückgreifen, die authentisch von ihrem persönlichen Genesungsprozess und den getroffenen Entscheidungen berichten. Durch das Beispiel Anderer können Sie selbst mehr Klarheit über Ihre eigenen, ganz individuellen „Gesundheitspräferenzen“ erlangen: Sie können Nutzen und Risiken verschiedener Behandlungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Werte und Wünsche besser abwägen und kompetenter mitentscheiden.

Selbsthilfe ergänzt die professionelle Versorgung um Alltagserfahrung und Lebensfreude

Wir sind überzeugt: Selbsthilfe ist eine wertvolle Ergänzung zur medizinisch-therapeutischen Behandlung. Unser Netzwerk setzt sich daher dafür ein, dass mehr Menschen die Angebote der Selbsthilfe kennenlernen. Dafür müssen Betroffene frühzeitiger und regelhafter von Selbsthilfeangeboten erfahren.

Unsere Erfahrung zeigt: Wer bereits in der Klinik Selbsthilfeaktive kennenlernt, sich von ihrer Lebensfreude anstecken und von ihrer Lebenserfahrung ermutigen lässt, verliert die Scheu oder die Bedenken, sich hier Unterstützung zu suchen.

Unser Netzwerk fördert deshalb die strukturierte und systematische Zusammenarbeit von Selbsthilfe und Gesundheitseinrichtungen.

 

Selbsthilfe fördert einen ganzheitlichen Blick auf Patienten

Wo diese Zusammenarbeit gelingt profitieren Patienten auch indirekt. Vor allem dann, wenn die Selbsthilfe ihre vielfältige Expertise einbringen kann, um Prozesse und Abläufe patientenorientierter zu gestalten.

Durch die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen verstehen Fachkräfte zum Beispiel besser, wie eine Diagnose den Alltag beeinflusst. So können sie ihre Patienten gezielter darin unterstützen, diese Veränderungen erfolgreich zu bewältigen.

Häufig verändern die beeindruckenden Begegnungen mit Selbsthilfeaktiven den Blick von Fachkräften auf „schwierige Patienten“ und die Anliegen und Sorgen der Angehörigen.


Selbsthilfefreundlichkeit: ein Qualitätsmerkmal für Patientenorientierung

Selbsthilfefreundliche Gesundheitseinrichtungen haben die Vorteile einer Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe erkannt. Sie fördern nachhaltig den Kontakt zwischen Patienten und der gemeinschaftlichen Selbsthilfe. Sie erweitern zudem ihr ärztliches und pflegerisches Handeln durch das Erfahrungswissen der Selbsthilfe, indem sie aktiv zum Erfahrungsaustausch einladen und die Selbsthilfe in die Schulung ihrer eigenen Mitarbeiter miteinbeziehen.

Selbsthilfefreundlichkeit ist damit ein Merkmal für ein hohes Maß an Patientenorientierung, weil Rückmeldungen aus der Selbsthilfe direkt zu Veränderungen und Verbesserungen in Behandlungsabläufen und Prozessen beitragen können.

Patienten können an der Auszeichnung „selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ oder „selbsthilfefreundliche Rehabilitationseinrichtung“ erkennen, dass diese Gesundheitseinrichtung unsere Qualitätskriterien Selbsthilfefreundlichkeit erfolgreich gemeinsam mit der regionalen Selbsthilfekontaktstelle und örtlichen Selbsthilfegruppen umsetzt und auf diese Weise signalisiert:
Bei uns steht der Patient im Mittelpunkt!

Hier finden Sie ausgezeichnete Gesundheitseinrichtungen in Ihrem Bundesland.